„Für den Mieter wurde es nicht billiger“

Vermietung
07.02.2024

Von: Redaktion OIZ
Das am 1. Juli 2023 in Österreich in Kraft getretene Erstauftraggeberprinzip erfüllt die politischen Ankündigungen nicht, wie Arno Wimmer und Philipp Sulek auf Basis einer aktuellen Marktbeobachtung berichten.

Mann in grauem Anzug
Arno Wimmer, und geschäftsführender Gesellschafter der Re/Max Conterra Immobilien GmbH in Innsbruck: „Aufgrund der am 1. August 2022 in Kraft getretenen KIM-Verordnung entstand eine zusätzliche Mieterschicht.“

OIZ: Das Monitoring (siehe Kasten) für das vierte Quartal 2023 liegt vor. Was sind die Kernaussagen?

ARNO WIMMER: Seit dem ersten Quartal des Vorjahres erschienen in Österreich jedes Quartal weniger Anzeigen. Insgesamt beträgt der Rückgang rund zwanzig Prozent. Dieser deutliche Rückgang betrifft die gewerblichen Mietwohnungsinserate, während die Anzeigen der Privatanbieter ziemlich konstant verlaufen. Die Anzeigen waren gleich lange online, nämlich jeweils etwa 23 Tage. Die Nettomietpreise in Österreich sind nach einem leichten Anstieg im zweiten Quartal 2023 konstant. Jene in privaten Anzeigen sind etwas höher als jene der gewerblichen Anbieter. Die Brutto-Gesamtmietpreise inkl. Betriebskosten sind im zweiten und dritten Quartal 2023, auch aufgrund gestiegener Betriebskosten, leicht gestiegen und im vierten Quartal unverändert. Die Anzahl der Maklerunternehmen hat sich von Ende 2022 auf Ende 2023 mit 5.203 Unternehmungen kaum verändert. Wien bildet hier eine Ausnahme.

PHILIPP SULEK: Das stimmt leider. 2022 zählte die Bundeshauptstadt 1.792 Makler. Ende des Vorjahres waren es 1.738. Die Differenz mag vernachlässigbar erscheinen, es handelt sich aber um eine klare Trendumkehr.

OIZ: Was besagen die Zahlen für das vierte Quartal 2023 darüber hinaus über den Mietwohnungsmarkt Wiens?

SULEK: Beispielsweise, dass die Anzahl der gewerblichen Anzeigen laut dem Monitoring um 37 Prozent einbrach. Das ist enorm. Andere Ergebnisse sind weniger spektakulär: Seit der Einführung des Erstauftraggeberprinzips war die durchschnittliche Nettomiete in Wien leicht rückläufig, erholte sich aber im vierten Quartal 2023. Die in privaten Anzeigen angegebenen Nettomieten lagen knapp über jenen in gewerblichen Inseraten.

OIZ: Was sticht laut der Marktbeobachtung in Ihrem Heimatbundesland Tirol hervor, Herr Wimmer?

WIMMER: In Tirol entspricht die Entwicklung der Anzeigen dem Bundestrend. Entgegen dem Trend stiegen jedoch hier die Nettomieten überproportional. Mittlerweile sind es die höchsten Mieten im Bundesländervergleich.

Mann in schwarzem Pullover
Philipp Sulek, Berufsgruppensprecher-Stellvertreter der österreichischen Immobilienmakler und Geschäftsführer von Sulek Immobilien in Wien: „In Wien brach die Anzahl der gewerblichen Anzeigen um 37 Prozent ein. Das ist enorm.“

OIZ: Was bedeuten die Zahlen in der Praxis?

WIMMER: Für Mietinteressenten wurde es unter dem Strich noch schwieriger, eine geeignete Wohnung zu finden. Man darf nicht vergessen, dass aufgrund der am 1. August 2022 in Kraft getretenen KIM-Verordnung eine zusätzliche Mieterschicht entstanden ist. Nämlich Personen, die vor der Einführung besagter Verordnung und dem Zinsanstieg Eigentum für die Eigennutzung erworben haben und nunmehr mangels einer Bankenfinanzierung gezwungen sind, in eine Mietwohnung auszuweichen. Dies spiegelt sich darin wider, dass bis Mitte 2023 die Entwicklung bei Kauf und Miete parallel verlief. Seither geht die Spreizung in Richtung Mietsegment auf.

OIZ: Wurde es denn für Mietinteressenten günstiger?

SULEK: Das ist der entscheidende Punkt. Die Einführung des Erstauftraggeberprinzip am 1. Juli 2023 sollte das Mieten vergünstigen. Davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil, es verteuerte sich. Einerseits wegen versteckter Kosten wie Ablösen für Küchen oder Außenjalousien, andererseits weil Mietinteressenten wesentlich mehr Zeit in die Wohnungssuche investieren müssen. Sie absolvieren gelegentlich bis zu dreißig Besichtigungen, ohne zum Zug zu kommen. Und Zeit ist bekanntlich Geld. Ebenso zeigt der Mehraufwand, der durch direkte Wohnungsübergaben und unbegleitete Abläufe im Zusammenhang mit dem Mieterwechsel entsteht, dass eine Kostenersparnis nur einen kurzfristigen Effekt hat.

WIMMER: Dass das Erstauftraggeberprinzip das Mieten verteuert, war politisch nicht gewünscht. Es war aber absehbar.

OIZ: Wie geht es weiter?

SULEK: Bei unserem letzten Gespräch sagte ich, dass ich glaube, dass das Pendel rasch zurückschlagen wird (siehe OIZ 11/2023, Seite 24f). Das tritt bereits ein. Private sehen, welch intensiven Prozess eine Vermietung darstellt, welches Know-how erforderlich ist und wie viele Arbeitsstunden hineinfließen. Sie nehmen wieder ihre Makler in Anspruch und übergeben die Aufgabe somit in professionelle Hände. In Wien beginnen auch größere Vermieter wieder, den internen Vertrieb durch externe Maklerunternehmen zu ersetzen.

WIMMER: Es gilt abzuwarten, wie sich der österreichische Wohnimmobilienmarkt insgesamt entwickelt. Weil die KIM-Verordnung am 30. Juni 2025 ausläuft – sofern diese nicht verlängert wird – und weil ab etwa dem zweiten Halbjahr 2024 geringe Zinssenkungen zu erwarten sind, hoffe ich, dass noch heuer eine leichte und im nächsten Jahr eine spürbare Entspannung eintritt.  

Über die Marktbeobachtung

Der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder beauftragte das Monitoring, um bewerten zu können, wie sich das Erstauftraggeberprinzip auf den österreichischen Mietwohnungsmarkt auswirkt. Durchgeführt wird es vom ZT-Datenforum mit Sitz in Graz. Geschäftsführer Dieter Leitner und seine Mitarbeiter ziehen alle auf den relevanten Plattformen veröffentlichten Mietwohnungsinserate heran; private wie gewerbliche. Nachdem sie die Duplikate aussortiert haben, analysieren sie die Anzeigen. Das Monitoring erfolgt quartalsweise. Das ZT-Datenforum eruiert dabei beispielsweise auch, wie sich die Mitarbeiterzahlen in den Maklerunternehmen entwickeln.